Meine Einladung wurde soeben gescannt und mein Mantel entgegengenommen. Die Madame, die mich begrüßt hat, kenne ich vom Sehen, aber ich habe keinen Schimmer, zu welcher Abteilung sie gehört. Es will mir einfach nicht einfallen, aber ist ja an sich auch egal. Ihre Stelle wurde jedenfalls top besetzt. So hatten wir uns das gedacht. Aber jetzt muss ich definitiv aufhören, die Planungsposten durchzugehen und mich entspannen. Augenblicklich. Aufgeregt ziehe ich mein königsblaues Kleid zurecht. Ich habe es gewählt, weil es so schön kurz ist und für diesen Anlass perfekt scheint. Aber genau in diesem Moment bereue ich meine Wahl, rutscht es doch andauernd meine Kurven hoch. Nicht komplett natürlich, aber immer so viel, dass es mich arg ins Schwitzen bringt. Dem Anlass entsprechend sollte mein Outfit definitiv nicht prüde wirken, aber das wird interessant… Ein Lächeln umspielt meinen Mund, als mir meine Fantasie die Nacht bereits im Schnelldurchlauf vor meinem geistigen Auge abspult. Ich liebe das Spiel mit dem Feuer, aber an meiner jetzigen Situation trägst du definitiv die Mitschuld und lässt mich eindeutig risikofreudiger werden. Verdammt, wie konntest du mich nur dazu überreden? Mir wäre todsicher eine gute Ausrede eingefallen, um nicht an dem verordneten Firmenevent teilnehmen zu müssen. Wir hätten uns auch allein einen heißen Abend machen können, aber nun bin ich schon mal hier und vertraue darauf, dass du auf mich achtest und mich nicht den Knallköpfen überlässt. Dann wird es sicher Spaß machen. Gestern und heute habe ich dich leider noch gar nicht privat gesprochen. Die finale Projektphase hat uns nochmal so stark gefordert, dass ich keine Möglichkeit hatte, nach dir zu sehen, und dir ging es wohl genauso. Einzig ein paar flüchtige Momente auf den Fluren gab es. Aber es waren immer Kollegen dabei und so blieb es bei Gucken, nicht Anfassen. Sehr schade, aber das holen wir heute Nacht hoffentlich ausgiebig nach. Wie gut, dass keine Ehepartner*innen und Lebensabschnittsgefährten*innen zugelassen sind. Chef war überrascht, als ich das beim Meeting gebracht habe, aber hat mich sehr dafür gelobt. Na klar, Frau Betz wäre sicher nicht erfreut zu sehen, wie ihr Mann sich an seinen Mitarbeiterinnen aufgeilt. Mein Lächeln wird breiter. Also, tief durchatmen und los. Alles um das Event herum ist bis aufs kleinste Detail durchgeplant. Die Ankunft bereitet jedem Gast den individuellen Rockstarmoment. Ich bin gespannt. Die muskelbepackten Türsteher in eleganten schwarzen Anzügen öffnen lächelnd die Milchglas-Flügeltüren, gewähren mir den freien Blick auf die tanzende Menge und lassen mich den Moment auskosten. Jawoll. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Genial. Auch wenn mir vor Lampenfieber ganz schlecht ist. Mit dem Öffnen der Türen wummert mir der Bass noch deutlicher entgegen. Wow. Ich zähle im Kopf, wie am Stoppschild, ‚einundzwanzig, zweiundzwanzig‘ und warte die dramaturgische Pause ab. Atmen nicht vergessen. Oh, ich bin so nervös. Nicht so sehr wegen der Party, viel mehr wegen dir. Schließlich wollen wir doch alles geheim halten. Das wird schwer heute Abend, aber genau darin liegt der Reiz. Das hat uns beide schon gekickt, als wir darüber gesprochen haben.…